historie

Die Alte Schänke Samson
Aus der Geschichte des Landgasthofes in Tönnishäuschen

Samson um 1890
Gasthäuser sind gewisse Kristallisationspunkte im Leben eines Dorfes und das Nachspüren ihrer Geschichte ist manchmal prickelnd wie ein Krimi, vor allem, wenn es wie in Vorhelm zum langjährigen Streit um das Braumonopol kam. Frühere Recherchen belegten bereits die lange Geschichte der späteren „Alten Schänke Samson“ in Tönnishäuschen. Beim Durchforsten umfangreicher Prozeßprotokolle kamen inzwischen auch neue Erkenntnisse zutage. So konnte vieles ergänzt und manches sogar korrigiert werden.

Abgesehen von allgemeiner Literatur gibt es speziell über die früheren Vorhelmer Gasthäuser kaum Untersuchungen. Als Quellen dienten unter anderem Notizen zu den Gasthäusern am Tönnishäuschen und am Kirchhof im Nachlaß des Beckumer Heimatforschers Anton Schulte, vor allem aber die umfangreichen Prozeßakten und andere Dokumente im Archiv des Hauses Vorhelm in Darfeld. Verarbeitet wurden auch die Vorhelm betreffenden Synodalprotokolle im Bistumsarchiv Münster. Zurückgreifen konnten die Autoren auch auf Eigenes: Hermann Honermann & Christian Wolff – „Tönnishäuschen. Kapelle und Bauerschaft in Vorhelm“, S. 99-168. Honermann: „Häuser- und Personenlisten des Kirchspiels Vorhelm 1498-1832.

Die Gasthäuser am Tönnishäuschen

Im ersten Teil ging es um ein Gasthaus, das Diderich Torck, Herr zu Vorhelm, um das Jahr 1525 im Dorfkern errichtet hatte.[1] In diesem zweiten Teil geht es um zwei Gasthäuser bei der ehemaligen Antoniuskapelle in Tönnishäuschen, die in scharfe Konkurrenz zueinander gerieten. Ihre Geschichte liest sich wie ein Krimi.
[1] Münsterland, Jahrbuch des Kreises Warendorf, 2013, S. 65-69

 

Das Ennigersche Gasthaus am Tönnishäuschen

Wer war zuerst da?

In der Vorhelmer Bauerschaft Isendorf kreuzten sich zwei alte Handelswege: Von West nach Ost die alte „Friesenstraße“, von Nord nach Süd die „via regia“ oder der „Hellweg“. An dieser Kreuzung gab es spätestens seit 1499 die Antoniuskapelle, die auch „Tonnieshäuseken“ genannt wurde und der Bauerschaft Isendorf später den Namen Tönnishäuschen gab.[1]
Die besagte Kreuzung eignete sich nicht nur für eine Kapelle zu göttlichem Schutz auf langen Wegen, sie eignete sich in besonderer Weise auch für eine Rast- und Gaststätte, die gute Einnahmen versprach.
Lange Zeit gab es hier zwei Gasthäuser. Eines gehörte der Kirche zu Enniger, das andere den Rittern Torck zu Vorhelm. Angesichts heftiger Konkurrenzkämpfe zwischen den beiden fragt man sich, wer war zuerst da? Dazu gibt es widersprüchliche Informationen.
Dietherich Torck, damaliger Herr auf Haus Vorhelm, der für sich das Braumonopol als Vorrecht des Adels beanspruchte, sprach im Jahr 1544 Jahr dem bereits existierenden Ennigerschen Wirt am Tönnishäuschen dieses Recht ab und behauptete, daß der nur das Bier vom Haus Vorhelm ausschenken dürfe.
Torck wandte sich in dieser Sache an den Landesherrn, den Fürstbischof Graf Franz von Waldeck. Dieser bestätigte Torck 1544 die alten Rechte und schrieb wörtlich:

 

„Dirick Torck tho Vorhelm hefft uns underdaniglich thor kennen geven, wu dat he und syne vorolderen over menschen gedenken van dem huse tho Vorhelm by sunte Anthonies klusen alle tyt alleine… den tappen… in guden rouweliken (unangefochtenen) gebruke und besitte gehatt hebbe.“

 

Das klingt so, als hätte Torck schon seit eh und je dort sein Bier ausschenken lassen und als hätte die Kirche zu Enniger ihm dort im Nachhinein eine unerlaubte Konkurrenz vor die Nase gesetzt, um ihn zu schädigen.
Vielleicht wollte der Landesherr seinem treuen Diener, der ihm noch vor rund zehn Jahren beim Kampf gegen die Wiedertäufer unterstützt hatte, nur das alte Privileg bestätigen, nicht aber die angeblich schon lange währende Existenz eines Gasthauses Torcks am besagten Ort.
Selbst Torcks angebliches Braumonopol traf nicht zu. Denn es gab deswegen einen Rechtsstreit und danach hat Eickenbrock, der Wirt des Ennigerschen Gasthauses, vom Gericht Recht bekommen und durfte weiter brauen und zapfen. Aus den umfangreichen Gerichtsprotokollen zu den Prozessen wegen der Braurechte [2] gibt es eindeutige Erkenntnisse zur Sache:
Zeuge Dietherich Nagel [3], ein unverdächtiger Zeuge, sagte in einem der Prozesse am 5.7.1605: Von seinen Eltern habe er gehört, daß Dietherich Torck als erster von den Besitzern des Hauses Vorhelm angefangen habe, Bier zu brauen. Das neue Wirtshaus am Tönnishäuschen, in welchem er (der Zeuge) wohne, sei vor etwa 60 Jahren (also etwa 1545) durch den vorgenannten Dietherich Torck neben dem alten (Ennigerschen) Wirtshaus errichtet worden mit der Absicht,

„daß dem alten Zapfer die Nahrung möge benommen werden.“

Das Gleiche sagen unabhängig von einander auch andere Zeugen. Es kann also keineswegs behauptet werden, daß Torck schon Generationen vorher am Tönnishäuschen eine Gaststätte betrieben habe, denn das Ennigersche war schon vorher da.[4]
Eine Bestätigung, daß Torck seine Schänke erst im Jahr 1545 direkt neben dem Ennigerschen Gasthaus errichtet hat, findet sich in einer Urkunde[5] vom 6.8.1545, wonach Dietherich Torck durch Tausch mit der Äbtissin von Freckenhorst drei Stücke Land erworben hatte, deren Pächter Peter Lüring (Lolinck) war. Auf diesem Grundstück errichtete er sein Gasthaus.
[1] Honermann/Wolff, Tönnishäuschen. Kapelle und Bauerschaft in Vorhelm
[2] Archiv des Hauses Vorhelm in Darfeld unter der Signatur III,5
[3] Mehr über ihn weiter unten im Abschnitt „Gasthaus Torcks Kotten“.
[4] Diese neue Erkenntnis ergab sich durch die Auswertung umfangreicher Gerichtsprotokolle, die auch die Aussagen im zitierten Buch Tönnishäuschen, S. 99 u. 127 ergänzen. .
[5] Archiv Haus Vorhelm III, 6/7, 113