historie

Wirt Henrich Sistendorf

Der eingedrungene Sistendorf blieb im Gasthaus und Schomaker draußen. Er war der neue Wirt am Tönnishäuschen. War er wirklich der unlautere „Hausbesetzer“? Laut Urkunde vom 12.5.1625 trat er als Zeuge auf, zusammen mit seinem Diener, dem Vorhelmer Peter Arendes, und zwar bei einem Rechtsakt vor dem Notar Gerhard Burman, in dessen „am Tönnieshäuschen gelegener Behausung in der niedersten Stuben“. Befand sich das Notariat gar im Gasthaus und war es ein zweistöckiges Gebäude?
Im selben Jahr war Sistendorf Gläubiger des Erbes Lüring. Dafür war ihm pachtweise der Merschkamp dieses Hofes überlassen worden. Er müßte demnach doch wohl eine angesehene und vertrauenswürdige Persönlichkeit gewesen sein, dem auch eine gewisse finanzielle Basis nicht fehlte.
Entsprechend erfolgreich war auch seine Brauerei. Er braute und zapfte deutlich mehr Bier als sein Vorgänger: 1621 – 112 Tonnen, 1622 – 98, 1624 – 51, 1626 – 110, ebenso viele im Jahr danach. 1628 bis 1632 waren es 65, 63, 29, 65 und 70 Tonnen Bier.

Inzwischen aber machte sich der Dreißigjährige Krieg auch in Vorhelm bemerkbar. Hessische und auch Kaiserliche Truppen verlangten von den Vorhelmern Kontributionszahlungen. Auch der „hospes“, der Wirt in der Bauerschaft Isendorf, zahlte 1628 seinen Beitrag. Es dürfte noch Sistendorf gewesen sein.
Bei einer Taufe am 22.7.1630 steht im Taufregister von Hoetmar als Patin Anna Frenckinck, „weedinne ahm Tonieshause“ eingetragen. Sie war Wirtin und wahrscheinlich die zweite Frau und dann die Witwe es inzwischen verstorbenen Henrich Sistendorf.
1632 logierten Lothringische Glockengießer beim Wirt am Tönnishäuschen. Damals war die Vorhelmer Kirche gebrandschatzt worden und die Glocken mußten neu gegossen werden. Es begannen für Vorhelm die schlimmsten Jahre des Krieges.Aus den Schatzungslisten erfahren wir vom Schicksal des Wirtshauses: 1633 heißt es: „Der wirth im Thonnnießhaus verdorben“, das heißt ruiniert. 1634 „daß Thonnießhausgen woest“, das heißt verlassen und aufgegeben. Nach der Viehschatzung von 1636 war überhaupt kein Vieh mehr vorhanden. Damit war eine wesentliche Quelle der Nahrung und der Wirtschaft verloren. 1637 lag das Wirtshaus noch immer wüst. Schon damals wollte die Kirche zu Enniger ihr Wirtshaus verkaufen, bekam aber dazu keine Genehmigung. 1648 wurde das Wirtshaus noch einmal erwähnt. Aber es war ein Opfer des Krieges geworden.

Wirt Baeck

1653 verpachtete die Kirche zu Enniger das Gasthaus an Niclas (Claves) Baeck und dessen angehende Frau Maria Holthues. Niclas war ein Sohn des Bernd Baeck vom Hof Isendorf. Dieser war Rezeptor (Steuereinnehmer) in Vorhelm, ein Bastard-Abkömmling der gleichnamigen Adelsfamilie. Seine Frau war Maria Torck, eine Nichte oder Großnichte des früheren Wirtshauspächters Melchior Torck. Die neuen Pächter wurden auf Lebenszeit eingesetzt. Sie übernahmen kein leichtes Erbe. Es waren noch beträchtliche Schäden aus der Kriegszeit zu beheben. Darum wurde ihnen das Gewinngeld für den Kotten reduziert.
1660 war Baeck wie alle anderen Vorhelmer zu Schanzarbeiten bei Mecklenbeck verpflichtet. In Abgabenlisten von 1665 steht er noch als Wirt und als „Brinksitzer ohne Pferde“[11], mit Frau, drei minderjährigen Kindern und einer Magd. 1668 hatten sie sechs Kinder. Von da an gerieten sie in Armut. Auch die Torcksche Konkurrenz nebenan mag ihm zu schaffen gemacht haben. 1676 heißt es, daß Baeck seine Steuern nur zu einem Bruchteil bezahlen konnte. Er war „gantz unvermögen“. 1677 heißt es schließlich „Thönieshaüßker kötter Claves Back, wüst, dessen Backhäuser.“ Baeck wohnte demnach nicht mehr im Wirtshaus. Es wohnte nur noch jemand im Backhaus.
Aus den Kirchenrechnungen von Enniger erfahren wir, daß 1669 und auch 1678/79 noch je sieben Taler vom „Tönniswirt“ einkamen. Ab 1680 blieb er im Rückstand.

Wirt Bockhorn und das Ende des Gasthauses

Inzwischen war wohl schon Dietherich Bockhorn neuer Wirt. Dieser hatte am 6.10.1680 Baecks Tochter Gertrud geheiratet, war also ein Schwiegersohn von Niclas Baeck. 1681 hatte der Wirt Frau und drei Kinder.In diesem Jahr war wieder mal publiziert worden, daß nach altem Recht bei Hochzeiten, Kindtaufen und ähnlichen Anlässen das Bier vom Haus Vorhelm geholt werden sollte.
Im selben Jahr am 11. Oktober ging ein gewisser Ostermann aus dem Dorf zum neuen Wirt Dietherich Bockhorn, um zur Taufe seines Kindes drei Tonnen Bier zu holen, also Bier, das nicht aus Torcks Brauerei kam. Sollte dies ein Testfall oder eine Provokation sein? Jedenfalls versprach Wirt Bockhorn seinem Kunden, „ihn von allen dießfalls überkommenden hinder und schaden zu entfreyen“ ihn also schadlos zu halten. Dadurch hatte sich aber die Witwe Torck sehr provoziert gefühlt. So erschienen am 13. Oktober Torcks Diener, nämlich Vogt Jörgen, Müller Henrich Molt, Kutscher Herman Bokers, der Wirt im Dorf und der Schlüter „mitt bey sich habenden fausthammern, barden und päcken“ und haben bei Familie Ostermann die Fässer eingeschlagen und das „illegale“ Bier laufen lassen.
Bockhorn berichtete diesen Vorfall dem Drosten zu Wolbeck und forderte sein Recht. Ebenso forderte aber auch Witwe Torck beim Drosten ihre alten Rechte.
Nun war die Kirche zu Enniger den Streit um ihr Gasthaus am Tönnishäuschen endgültig leid.
Eben wegen dieser endlosen Streitigkeiten gab sie ihr Wirtshaus im Jahr 1684 auf und verkaufte es für 400 Taler an Haus Vorhelm. Ein gutgehendes Gasthaus hatte der Käufer keineswegs erworben. 1689 wohnte dort noch der verarmte Niclas Baeck, aber der „Zapfen“ war geschlossen. Noch 1695 heißt es, daß das Tönnishäuschen zur Zeit „ohnbewohnet gantz oede dahinstehet.“ Im harten Konkurrenzkampf zwischen Enniger und Haus Vorhelm, zwischen „Ennigerbräu“ und „Torckbräu“ hatte Torck gesiegt.
Schauen wir nun auf die ebenfalls lange Geschichte des Konkurrenzgasthauses „Torcks Kotten“.
[11] Das ist die Bezeichnung für die niedrigste Stufe der Kötter.